Felix Schmidt
Biographie


Meine Geschichte startet 1982 mit einem Schicksalsschlag. Meine Mutter, das Zentrum unserer fünfköpfigen Familie, hatte eine Gehirnblutung als ich elf Jahre alt war und sie verlor nach einer Operation ihre Sprache und die Kontrolle über ihre rechte Körperhälfte. Sie war halbseitig gelähmt und unsere Familie zerbrach. Der Mangel an warmer, emotionaler Verbindung, den ich in den nächsten Jahren aufstaute, prägte mich tief und legte das Fundament für mein späteres Engagement in Gemeinschaft.Mein Vater erlebte den 2. Weltkrieg im Alter von 8 bis 14 Jahren und fand sich in einer unerträglichen Situation wieder, in der er die Hauptverantwortung für seine vierköpfige Familie übernahm und seine kleine Schwester weit weg von zu Hause vor den Alliierten versteckte, um seinen bewegungsunfähigen, verwundeten Vater zu schützen. Den übersteigerten Selbstwert, den er vermutlich aus den seelischen Verletzungen des Krieges aufbaute, erlebte ich in meiner Jugend als äußerst schmerzhaft. Seine Selbstüberschätzung zwang mich zu einer Art Wettrüsten mit ihm, um neben ihm bestehen zu können. Zumindest sehe ich das heute so. Seine Selbstaufwertung landete bei mir passiv als Abwertung und ich reagierte mit Selbstschutz in Form von Machtstreben und Selbstaufwertung. Ich erinnere mich, wie ich ihm, dem ach so belesenen und großen Doktor der Geophysik, der angeblich Albert Einstein widerlegt und eine revolutionäre Meerwassserentsalzungsanlage konstruiert, irgendwann rhetorisch über den Kopf gewachsen war. Auf einmal konnte ich ihn widerlegen, ihn auflaufen lassen und abschmettern. Ich kann heute noch mulmig im Magen spüren, wie ich ihm nicht ohne Brutalität all seinen künstlich aufgeblähten Selbstwert vor Augen geführt, dekonstruiert und abgesprochen habe. Ich war intellektuell mächtiger als mein Vater geworden. Jetzt erst war ich vor ihm sicher. Der kurze Triumph kam jedoch mit erheblichen Kosten. Ich war jetzt ähnlich größenwahnsinnig wie mein Vater. 1991, lernte ich dann Carolin Gaiser kennen, mit der ich dann elf Jahre zusammen in Partnerschaft lebte. Noch nicht lange volljährig, brauchte ich dann gute 10 Jahre, um mit meiner an Narzissmus grenzenden Selbstüberschätzung wieder zurück in der Realität zu landen. Ich hatte dutzende, oft absurde Identitätsentwürfe durchlebt und keiner davon war auch nur annähernd realistisch genug, um meinen aufgeblähten Selbstwert nachhaltig zur Deckung zu bringen. Etwa monatlich mit Enthusiasmus, kraftvoll gegen eine Mauer zu rennen zermürbt. Der Wendepunkt kam, als ich mich nach einer stabilen Identität und Außenwahrnehmung zu sehnen begann. Ich wollte endlich ernstzunehmend sein. Also wurden meine Identitätsentwürfe sorgfältiger geplant, vorsichtiger, realistischer und dadurch deutlich langlebiger.Ich habe das Selbstbild, aus diesem Prozess gestärkt hervorgegangen zu sein. Durch ein förderliches Umfeld, wirtschaftlichen Wohlstand, sehr viel Autonomie und Freiheit und einer sich entwickelnden Liebe zum Diskutieren, der Philosophie und den Wissenschaften drillte ich mich in diesen 10 Jahren zu Realismus und lernte dabei meinen übersteigerten Selbstwert, als Motor für meine Entwicklung einzusetzen und zunehmend visionär und futuristisch auszuleben. Heute fühlt es sich so an, als hätte ich mir selber damals einen ordentlichen Kredit gegeben und auf mich selbst und mein Potenzial gewettet. Dadurch hatte ich enorm viel Energie für alles, was ich mir einbildete, werden zu wollen. Mein Selbstwert ist heute wieder im normalen Bereich, wenn auch auf hohem Niveau. Der Rest davon liegt, transformiert in dem Glauben an mein eigenes Entwicklungspotenzial. Das halte ich für durchaus gesund. Ich lebe seit dem eine sich dynamisch an die Umstände anpassende Vision von drastischer Wirksamkeit. Und im vollen Bewusstsein der Unwahrscheinlichkeit, das alles wirklich zu erreichen, kann ich mich immer noch mit meinem Realismus an der Möglichkeit festhalten und daran energetisieren. Ich habe gelernt meine Vision zu stabilisieren und dabei erhebliche intrinsische Motivation, relativ konstant auf einen stabilen Punkt in der tatsächlichen Welt zu fokussieren. Dabei ist mir klar, dass Visionen ausgedachte Konstrukte sind. Es fühlt sich für mich ein wenig so an, als würde ein Teil in mir dem anderen Teil das Märchen vom Weihnachtsmann erzählen, um dann aktiv zu verdrängen, woher die Geschichte eigentlich kam, um mich naiv auf die Geschenke freuen zu können. Und weil es sich gut anfühlt, drücken beide Teile ein Auge zu und verfolgen die unbequeme Inkonsistenz nicht weiter ernsthaft. Der reale Teil an diesem Selbstbetrug ist jedoch, das Mehr an fokussiert investierter Energie. So wie ein börsennotiertes Unternehmen durch das aufgenommene Fremdkapital schneller wachsen kann, so entwickle ich mich schneller und gezielter durch meinen Glauben an die Möglichkeit zumindest eines Teilerfolges. Und da haben wir die sich selbst erfüllende Prophezeiung. Ich schreibe das hier vor allem aus einem Bedürfnis heraus nach Transparenz, um Einblick in das zu geben, das da in mir wirkt, um Vertrauen zu verdienen. Wichtig scheint mir hierbei mein Glaube an mich selbst, im Kontext eines ungewöhnlich ausgeprägten Sinnes für die Realität. So etwas Kompliziertes wie eine globale Stadtgemeinschaft entsteht nicht zufällig. Viele Menschen müssen im Kontakt mit allem, Stück für Stück das Richtige tun. So ähnlich wie ein Organismus einen passenden, genetischen Bauplan braucht, um sich zu seiner ganzen Komplexität zu entfalten. Meinen Kontakt mit der Welt, meine theoretische Karte von allem habe ich durch das lebenslange anwenden von drei Prinzipien erworben. 1. Dem obsessiven Streben nach Konsistenz und Widerspruchsfreiheit, was dazu führt, dass mein Weltbild jederzeit von einer neuen Erkenntnis über die Welt fundamental gestört werden kann, und ich dann oft mit viel Aufwand alles wieder ordnen muss. Immer wieder erschüttern mich Erkenntnisse derart, dass ich viele Monate benötige, um sie konsistent in mein Weltbild zu integrieren. 2. Dem Streben nach Ganzheitlichkeit, was meine Neugier und Aufmerksamkeit immerzu auf das richtet, dass ich am wenigsten kenne und verstehe, weshalb ich durchgängig viel Zeit darauf verwende, wissenschaftliche Literatur zu filtern. Psychologie und Quantenfeldtheorie bilden dabei die beiden Grenzgebiete, die einen Kreis mit vielen Segmenten bilden wie, z.B. Physik, Chemie, Genetik, Biochemie, Biologie, Psychologie, Soziologie, Geschichte und Technologie. Jede Teiltheorie ist dabei nur so viel Wert, wie ihre konsistente Verortung im ganzheitlichen Ganzen. 3. Dem Streben nach empirischer Erdung, sodass alle Theorie über die Welt auf einem möglichst breiten Fundament von überprüfbaren, sinnlichen Beobachtungen fußt. Dabei entsteht über dem Fundament ein Raum für Intuition und empathisch, körperlicher Erfahrung, in dem Muster in der Natur erspürt und akkumuliert werden, die unüberprüfbar bleiben, deshalb aber keinen geringeren Wert für das Ganze haben, eben weil sie empirisch geerdet sind.   2003 war das mit dem all dem Realismus, dem vielen Diskutieren und dem Philosophiestudium dann auch mal gut, eine drückende Einsamkeit übernahm das Ruder, sprengte meine elfjährige Partnerschaft mit Carolin Gaiser, ließ mich meine intellektuellen Ambitionen fallen lassen und ich fokussierte mich vollends darauf, ein sozialer Mensch zu werden. Das war dann mein Startschuss für die Stadtgemeinschaft. Heute liebe ich die Intensität, die entsteht, wenn Menschen sich nahekommen. Wenn wir anfangen, uns die wichtigsten Dinge anzuvertrauen, die uns füreinander verletzlich machen, wenn wir uns beim Tanzen zeigen und spüren, wenn wir füreinander aufmachen, echt und schön werden. Seit 2006 lebe ich in der Stadtgemeinschaft We Space. Das ist für mich bis heute eine unglaublich spannende Reise. Gemeinsam haben wir ein Laboratorium für menschliche Begegnung geschaffen und haben viel gelernt. Und so viele, die damit in Kontakt geraten sind, spiegeln uns die Schönheit und den Wert von dem, was wir geschaffen haben. Seit langem wünsche ich mir, dass es unsere kleine Stadtgemeinschaft in die große Welt schafft, damit mehr Menschen in den Genuss von dem kommen, was für uns so wertvoll ist, dass wir immer wieder staunend davor stehen, wie vor einem kleinen Wunder.  

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